Kulturlotse

Psychiatrischer Erziehungsanspruch und militärische Unterordnung – Nonne und die „Kriegsneurosen“ im Ersten Weltkrieg

Mittwoch, 26. November 2025
Im Ersten Weltkrieg kam es zu ausgeprägten psychischen Auffälligkeiten bei Zehntausenden von Soldaten, die auch körperliche Funktionen einschränken konnten. Sie wurden häufig als „Kriegsneurose“ bezeichnet. In Deutschland war der Hamburger Ordinarius für Neurologie Max Nonne bei der konzeptionellen Fassung dieser Störungen wie auch bei der Anwendung bestimmter Behandlungskonzepte einer der führenden Ärzte.

In seinem Vortrag beleuchtet der Medizinhistoriker Heinz-Peter Schmiedebach Konzeption und Praktiken von Max Nonne im Kontext des militärpsychiatrischen Umgangs der Psychiater mit den kranken Soldaten. Dabei bedeutete das kompromisslose Behandeln der Soldaten im Lazarett mit Hilfe von schmerzhaften Stromapplikationen und Suggestionen einen Kampf von Mann gegen Mann, der unbedingt von den Ärzten gewonnen werden sollte. Dieses von zeitgenössischen Ärzten selbst so bezeichnete Verhältnis zu den Kranken zeigt, wie die Militärpsychiatrie der von den Kriegszielen bestimmten instrumentellen Vernunft folgte, die sich mit Gewalt verband und frei von ethischen Beschränkungen das Arzt-Patienten-Verhältnis überformte. Zudem bedeute die erstmals feststellbare moderne Maschinenartigkeit des Ersten Weltkriegs für viele Soldaten ein Nicht-Vertrautsein mit den Anforderungen des modernen Krieges und könnte deswegen auch zur Genese der „Kriegsneurose“ beigetragen haben. Die Behandlung der kranken Soldaten wurde von vielen Ärzten, auch von Max Nonne, als Umerziehungsprogramm begriffen. Die „Willensschwachen“ sollten so zu tüchtigen Funktionsträgern werden. Dabei gerieten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts festgelegte Verpflichtungen zur ärztlichen Aufklärung und Zustimmung in den Hintergrund und wurden missachtet. Der Beitrag geht zudem auf verschiedene zeitgenössische Reaktionen der betroffenen Soldaten ein wie auch politische Antworten auf diese Art der Behandlung.

Prof. Dr. Heinz-Peter Schmiedebach war nach Stationen in Greifswald und Lund (Schweden) von 2003 bis 2015 Professor für Geschichte und Ethik der Medizin am UKE und Mitbegründer des Medizinhistorischen Museums. 2016 erhielt er einen Ruf auf die erste Professur für Medical Humanities an die Berliner Charité, die er bis 2018 innehatte. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Psychiatrie- und Wissenschaftsgeschichte.

Zeit: 18:00 - 19:30 Uhr

Quelle: www.uke.de

Medizinhistorisches Museum Hamburg
Fritz Schumacher-Haus (Haus N30.b) am UKE Eppendorf, Frickestraße/Ecke Schedestraße
20246
Hamburg (Hamburg-Eppendorf)

250m Tarpenbekstraße
300m Julius-Reincke-Stieg
350m Lokstedter Weg
500m Eppendorfer Park (UKE)
500m Frickestraße
600m Bezirksamt Hamburg-Nord
600m Eppendorfer Marktplatz

100m Ein Parkplatz bei ""
300m Ein Parkplatz (mo-fr 7-20 Uhr) bei "Martinistraße 44"
550m Vier Parkplätze (Mo-Fr 8-20 Uhr) bei "Kümmellstraße 5"

Für Rollstuhlfahrer*innen besteht ein barrierefreier Zugang nach tel. Anmeldung 7410-57172 bzw. mit Hilfe der vor Ort anwesenden Mitarbeiter*innen.

Hat der Fehlerteufel zugeschlagen? Dann bitte eine kurze Mail an info@kulturlotse.de schicken. Für Fragen zur Veranstaltung wende dich bitte direkt an den Veranstaltungsort.