In Hessen existierten vor der Shoah viele kleine jüdische Landgemeinden. Heute zeugen davon jüdische Friedhöfe, eingezwängt hinter dem Einkaufszentrum oder zugewachsen am Waldrand, und einige Synagogengebäude oder jüdische Schulen, die mitunter seit 1938 unverändert als Scheune genutzt oder bewohnt werden. Die OrtsbewohnerInnen duldeten diese Spuren bei gleichzeitiger, zum Teil noch bis heute bestehender Abwehr öffentlicher Auseinandersetzung. Wie im städtischen gab es auch im ländlichen Raum keine „Stunde Null“ – es gab ein Wiedersehen: Jüdische Soldaten besuchten ihre Herkunftsdörfer und Friedhöfe, Jüdinnen und Juden überlebten in „Mischehen“, andere kehrten aus Konzentrations- oder Vernichtungslagern zurück, auf der Suche nach Verwandten, aber auch, um wieder langfristig sesshaft zu werden. Doch die Geschichte jüdisch-nichtjüdischer Nachkriegskonfrontationen und -nachbarschaften wurde vielerorts in das örtliche Schweigen eingeschlossen. Anna Junge berichtet in ihrem Vortrag von Interviewerfahrungen mit nichtjüdischen ZeitzeugInnen zur jüdisch-nichtjüdischen Nachkriegsgeschichte am Beispiel einiger Ortschaften in Hessen. Welche Geschichten werden wie erzählt und gedeutet? Und welchen Vereinnahmungsgefahren sind Lokalforschungen zu Nationalsozialismus und jüdischer Geschichte heute ausgesetzt?
Eine Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihe "OH! Oral History verstehen"
Beginn der Veranstaltung: 18.30 Uhr
Quelle:
www.zeitgeschichte-hamburg.de